HERZLICH WILLKOMMEN!
DEUTSCHSPRACHIGE EVANGELISCHE GEMEINDE BARCELONA
JEDEN SONNTAG, UM 11 UHR
LADEN WIR ZUM GOTTESDIENST EIN!
Wir sind eine lebendige und offene Gemeinde in Barcelona/Katalonien mit einer über hundertjährigen Geschichte. Der sonntägliche Gottesdienst bildet die Mitte unseres Gemeindelebens. Wir haben für viele Altersgruppen Angebote: Chor, Kinderkirche, Seniorenkaffee, Bastel- und Gymnastikgruppen. Unsere Veranstaltungen und Gruppen stehen allen offen, die Gemeinschaft suchen und mitmachen möchten.
Kommen Sie einfach mal vorbei.
Wir freuen uns über Ihren Besuch!
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PREDIGT
Für alle, die leider nicht zum Gottesdienst kommen konnten,
veröffentlichen wir an dieser Stelle einige der zuletzt gehaltenen Predigten.
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Predigt übers Sorgen – 1. Sonntag nach Trinitatis 2025
An meinem Bett in der Winternacht,
als Wärterin die Sorge wacht.
Sie trägt eine weiße Unterjack’,
ein schwarzes Mützchen und schnupft Tabak.
Die Dose knarrt so gräßlich,
die Alte nickt so häßlich.
(Heinrich Heine)
So beschreibt Heinrich Heine die Sorge: eine düstere, schäbige Gestalt, die sich heimlich ins Zimmer schleicht und nicht mehr weichen will. Ungebeten, hartnäckig. Ich kenne sie auch. Ich nenne sie: Frau Sorge – obwohl sie genauso gut ein Herr Sorge
sein könnte.
Frau Sorge ist mir vertraut. Schon als Kind wurde sie mir vorgestellt. Und bis heute begleitet sie mich – manchmal laut und deutlich, manchmal ganz leise im Hintergrund.
Wie sie aussieht? Für mich trägt sie ein gestrenges Gesicht, dunkle Kleidung, immer ein wenig fröstelnd. Ihre Augen blicken wachsam, misstrauisch, voller Kummer. Und ihre Stimme? Die kennt viele Tonlagen – mal flüsternd, mal donnernd. Ihre Lieblingsworte sind:
„Was, wenn…?“ – „Pass lieber auf…“ – „Das geht bestimmt schief!“
Besonders gern sagt sie auch das Wörtchen: „Aber!“
Ich: Die Sonne scheint! – Frau Sorge: Aber nicht mehr lange!
Ich: Heute geht’s mir gut! – Frau Sorge: Aber die Rückenschmerzen kommen bestimmt
wieder.
Ich: Wie nett mein Gegenüber! – Frau Sorge: Aber hoffentlich wirst du nicht enttäuscht!
Frau Sorge ist auch gerne mit mir unterwegs – zum Beispiel zum Arzt oder zu schwierigen Terminen. Nachts sitzt sie gerne – wie bei Heinrich Heine – auf der Bettkante und redet beim Einschlafen ununterbrochen.
Frau Sorge will nicht teilen – nur sich selbst. Freude, Hoffnung, Leichtsinn? Die mag sie nicht. Die schickt sie vor die Tür. Und wenn ich einmal nicht auf sie höre, ist sie eingeschnappt und sagt beleidigt: „Na warte – ich hab’s dir doch gesagt!“
Frau Sorge gibt sich gern als Wahrsagerin – sie tut so, als kenne sie die Zukunft. Aber ich habe schon oft erlebt: Sie hat keine Ahnung, was wirklich kommt. Und doch – ganz falsch liegt sie oft nicht. Manchmal hat sie ihre echten Gründe und ihre Berechtigung. Aber: Frau Sorge soll nicht das letzte Wort haben.
Denn es gibt noch andere Stimmen. Zum Beispiel die des Glaubens. Sie sagt mitten im Sturm, mitten in der Angst:
„Schweig! Sei still!“
„Fürchtet euch nicht – ihr werdet nicht untergehen.“
„Alle eure Sorgen werft auf Gott – denn Gott sorgt für euch.“
Diese biblische Aufforderung möchte ich heute ganz wörtlich nehmen – und Euch einladen zu einer kleinen Übung.
In den Bankreihen liegen Papier und Stifte. Bitte nehmt Euch ein Blatt. Schreibt – ganz für Euch, es bleibt geheim – eine oder zwei Sorgen auf. Etwas, das Euch gerade bewegt. Was Frau Sorge Euch flüstert. Was Euch beschwert.
Ein Wort genügt. Ein Satz vielleicht.
(kurze Pause)
Fertig?
Dann: Knüllt das Papier zusammen.
Und jetzt: Werft es nach vorne. In den Altarraum.
Ganz bewusst. So weit Ihr könnt.
Heute ist das ausdrücklich erlaubt. Denn es heißt: „All eure Sorge werft auf ihn – denn
er sorgt für euch.“
(Wenn alle Papierkugeln geworfen sind – weiter:)
Und? Sind die Sorgen jetzt weg? Los geworden? Wahrscheinlich nicht. So einfach ist das nicht. Aber: Ein kleiner Abstand ist jetzt da. Zwischen Euch – und ihnen. Und Ihr habt gezeigt: Nicht die Sorgen werfen mich zu Boden. Ich werfe sie. Ich bestimme. Ich entscheide, wie viel Raum sie bekommen.
Und noch ein Gedanke mehr: Gott sammelt sie ein. Er lässt sie nicht achtlos liegen. Nicht so, dass wir gleich wieder drüber stolpern.
(Sammelt die Papierkugeln ein und legt sie auf den Altar.)
Wir werfen – und Gott fängt auf. Die Sorgen haben einen Ort: bei Gott. So wie der Altar sie trägt – so trägt Gott. Sie sind nicht verschwunden. Sie liegen sichtbar da. Aber: Gott hält sie aus. Sie haben einen Platz, der nicht in meinem Kopf und nicht in meinem Herz ist.
Damit ich durchatmen kann. Kraft finde. Vielleicht sagen kann: Ich nehme meine Sorge – und gehe weiter. Nicht allein. Sondern begleitet. Gestärkt.
Denn: Frau Sorge – sie wird wohl wiederkommen. Sie ist hartnäckig. Aber vielleicht begrüße ich sie einfach herzlich, setze ich sie dann in die Sonne. Drücke ihr ein Glas Cava in die Hand und sage: „Keine Sorge, meine Liebe! Ich bin nur kurz weg! Du kennst dich ja bei mir aus! Aber jetzt möchte ich ein Stück allein gehen – und schauen, was das
Leben mir noch so zeigt. Nos vemos seguro – pero no tan pronto!“
Amen.